Wenn ihr die Hauptroute Vilnius-Kaunas-Kurische Nehrung-Berg der Kreuze in Litauen bereits kennt, dann ist es an der Zeit, die Orte zu erleben, die bei Touristen eher selten auf der Tagesordnung stehen. Einen davon lege ich euch ans Herz: Plateliai.
Zum Glück haben wir keine passende Unterkunft im Nationalpark Aukštaitija gefunden (so sollte es wohl sein), sonst hätte sich die Möglichkeit wieder verschoben, diesen wunderschönen Ort kennenzulernen. Endlich war ich in Plateliai.
Alle, die Ruhe suchen, liegen mit diesem Ort goldrichtig. Unberührte Natur, nicht überfüllt von Touristen, authentisch und traditionsreich. Erholung garantiert. Kulturell äußerst spannend.


Plateliai liegt im Nationalpark Žemaitija, im Westen Litauens. Die Hauptrolle spielt hier jedoch der See von Plateliai. Mit seinen 12 qm zählt er zu den größten Seen Litauens und regt zum Entspannen an. Der Nationalpark besteht zu über 50 Prozent aus Wäldern. Sie zu erkunden und durch sie durchzulaufen steht ganz oben auf meiner Empfehlungsliste.
Žemaitija (zu Deutsch: Samogitien) ist eine von fünf litauischen ethnographischen Regionen. Die Einheimischen sind für ihre Beharrlichkeit und ihren Stolz bekannt. Vielleicht liegt es an der Geschichte: Sie hatten am meisten mit deutschen Kreuzrittern zu kämpfen. Sie waren auch die allerletzten, die sich zum Christentum bekannt haben. Oder es liegt an der Sprache: Ihr Dialekt ist selbst für Litauer eine kleine Herausforderung. Ich nenne diesen Dialekt „litauisches Bayerisch“.
Žemaitija ist eine Region, die auf jeden Fall besuchenswert ist.
Nun nenne ich meine Gründe, warum ihr hierher kommen solltet. Am besten nicht für einen Tag. Und nicht für zwei.

Der See von Plateliai. Er ist das Juwel dieser Region. Ganze sieben Inseln bietet er. Und alle kann man besichtigen: mit dem Boot, dem Tretboot oder dem Segelschiff. Auf einer der Inseln – der Burg-Insel – bietet sich sogar eine kleine Wanderung an. Der See bietet natürlich die großartige Möglichkeit, zu baden. Da, wo ihr eine Umkleidekabine findet, wisst ihr Bescheid: hier könnt ihr ins Wasser springen.

Oder ihr macht eine Fahrradtour um den See von Plateliai. 24 Kilometer mit viel Wald, manchmal mit hügeligen Stellen, manchmal durch die Ortschaften und immer wieder mit Badestellen.

An einer Stelle auf dem Fahrradweg lohnt es sich, eine längere Pause zu machen: am Museum des Kalten Krieges (Šaltojo karo muziejus). Da, wo von 1962 bis 1978 einer der gefährlichsten Orte der Sowjetunion existierte. Vier ballistische Raketen standen hier in Bereitschaft. Deren Richtung war Westeuropa. Nur ein Knopfdruck hätte gereicht. Bedrückend, höchstspannend und auf jeden Fall besuchenswert. Ohne Audioguide ist dieser Ort halb so packend.

Sich auf eine Wanderung zu begeben, lege ich euch ans Herz. Seien es die Wanderwege, die vom Touristen-Informationszentrum empfohlen werden (Wir haben den Šeirės-Lehrpfad mit seinen 4 km erkundet, wo ein stiller See liegt – unbedingt erleben!) oder die Wege, die auf Komoot zu finden sind (Wir haben einen um den anderen See Beržoras gewählt), bei allen seid ihr sicher, ihr werdet die unberührte Natur, die Ruhe (wenn die einzige Lärmquelle eure Schritte sind) und die idyllisch einsam liegenden Ortschaften bewundern können.

Für Kulturbegeisterte ist das kleine Museum im ehemaligen Gutshof von Plateliai ein toller Ort. Vor allem beeindruckt die Ausstellung der verschiedensten Masken der Fastnacht (Užgavėnės), die am authentischsten genau in dieser Region gefeiert wird. Und! Hier habe ich erfahren, dass es eine Sportart gibt, die aus Litauen kommt: Ritinis oder Ripka. Schaut euch gerne selbst an, was genau das ist.

Ein Ort, der beeindruckt, ist nirgendwo ausgeschildert. Als wir beim Touristen-Informationszentrum nachgefragt haben, warum das so ist, haben sie auch mit den Schultern gezuckt: Es sei eine private Initiative. Wenn es klappt und ihr es findet, besucht den Litvak-Gedenkgarten (Litvakų atminimo sodas). Litvaken sind Juden aus Litauen. In Form der litauischen Karte ist dieser Garten gestaltet. Aus Metall geformte Bäume stehen da. Auf ihnen hängen Blätter und Äpfel. Auf diesen Äpfeln sind die Namen von denen, die im Zweiten Weltkrieg gestorben sind, eingraviert. Ein meisterhafter Ort für die Erinnerungskultur.

Es gibt noch einen Ort in der Nähe von Plateliai, der erstmal fremd klingt, wenn man den Titel hört: Park der energetischen Labyrinthe und geometrischen Figuren. Vier Labyrinthe, unterschiedlich lang und verschiedenst eingerichtet. Für 5 Euro dürft ihr dort durchschlendern, meditieren und euren Gedanken lauschen. Klingt das zu spirituell? Probiert es aus. Spiritueller werdet ihr nicht, aber zumindest über die Arbeit, die da reingesteckt wurde, werdet ihr staunen.

Telšiai ist die Hauptstadt der Region Žemaitija, 30 Minuten mit Auto entfernt von Plateliai, und das ist auch noch ein Ort, der sehenswert ist. Liegt auf sieben Hügeln, von den Künstlern geliebt, gegründet vor 700 Jahren, hat eine reiche jüdische Geschichte und eine starke Anziehungskraft für Gourmets: Hier wird Džiugas-Käse hergestellt (ich nenne ihn „litauischen Parmesan“). Im Touristen-Informationszentrum wurde uns gesagt: In Telšiai muss man länger bleiben. Sie hatten recht. Wir hatten jedoch nur ein paar Stunden. Überglücklich waren wir, als wir den Laden von Džiugas gefunden haben: ein Fest für Magen und Augen. Keine Werbung, nur pure Begeisterung.
Falls ihr meine Empfehlungen zu Unterkünften und Restaurants in Plateliai möchtet, schaut gerne auf meiner Patreon-Plattform vorbei.